Über die Unbekümmertheit

Im August vor 20 Jahren bin ich nach Karlsruhe gezogen. Manches fühlt sich heute ähnlich an wie damals. Ich war auch arbeitslos, viel alleine und es war auch Sommer. Damals fühlte ich mich hingegen irgendwie unverletzlich. Unbekümmert. Und ich war absichtlich arbeitslos. Ich bekam Geld vom Arbeitsamt. Ich hatte keine Sorge, dass ich nicht auch in Zukunft Geld verdienen könnte, wenn ich das wollte.

Aber ich wollte unbedingt mein Taijiquan verbessern und so hatte ich sehr viel Zeit mich dieser Kunst ganz und gar zu widmen.

Wie gesagt manches erinnert mich an diese Zeit, auch wenn vieles heute ganz anders ist. Die Unbekümmertheit zum Beispiel. Damals war es ein grundsätzliches, aber unbewußtes Lebensgefühl. Ich hätte mich niemals als unbekümmert beschrieben. Ich glaube das Gefühl der Unbekümmertheit zeichnet sich meist durch eine gleichzeitige Abwesenheit von Bewusstsein darüber aus. Aber auch heute im Jahre 2020 erlebe ich das Gefühl der Unbekümmertheit. Jedoch immer nur für kurze Augenblicke, wie eine zarte Erinnerung an etwas längst Vergangenes. Dann werden meine Schritte ganz leicht und plötzlich gehe ich beschwingt durch diese Welt. Und vor allen Dingen ist es mir sofort bewußt, dieses Gefühle der Leichtigkeit und der Zuversicht. Ich genieße diese Momente, denn sie sind rar und flüchtig geworden. Das Gefühl der Unverletzlichkeit ist schon länger verblasst. Die Unbekümmertheit immer seltener geworden. Immer öfter spüre ich heute auch die ganze Palette von gegenteiligen Gefühlen: Angst und Sorgen. Schwere und Trauer. Sorgen um meine berufliche Zukunft, Trauer und Sorgen um meine Eltern, um Freundinnen, die nun in prekäre Verhältnisse geraten könnten oder auch um Projekte und Kultureinrichtungen, für die wir teilweise auch so hart gekämpft haben. Angst um die lesbisch-feministischen Projekte, wie die wenigen verbliebenen Frauenbuchläden. Oder die Frauen-Weiterbildungseinrichtungen und die Frauenferienhäuser. Auch um die Theater, Museen oder Musik-und Konzert-Häuser oder die Kneipen sorge ich mich. Die sogenannte alternative Szene: wird sie sich über diese Epidemie retten können?

Doch noch einmal zurück zu den eher unbekümmerten Zeiten. Obwohl…

Ende August 2000 kam ich von einem mehrwöchigen Trainingsaufenthalt aus China zurück. Zuvor hatte ich noch schnell meine Kartons in die neue Wohnung in Karlsruhe gestellt und ohne, dass die Wohnung richtig eingerichtet war bin ich nach Hongkong geflogen. Meinen Rückflug hatte ich nach Berlin gebucht. Dorthin war nämlich zur gleichen Zeit Heike gezogen. Wir hatten davor noch zusammen gewohnt, auf der Ostalb, in Aalen. Sie wollte nach Berlin wegen einer Schauspielausbildung. Ich wollte auf gar keinen Fall nach Berlin. Eher nach Hamburg, weil es dort den besten Taiji-Unterricht in Deutschland gab. Die Zeit am Aalener Theater war für uns beide vorbei und so war damals die Frage: was nun? und wo?

Zwei Jahre zuvor hatte ich während der Gaygames in Amsterdam Anete, Ulli und noch ein paar Frauen bzw. Lesben aus Karlsruhe kennen gelernt. So kam es, dass ich überhaupt in meinem Leben mal nach Karlsruhe kam und was ich dort gezeigt bekam hat mir sehr gut gefallen. Als ich dann auch noch einen guten Taijilehrer in Karlsruhe fand dachte ich: es geht doch nichts über Süddeutschland. Mehrere, teils monatelange Aufenthalte in Hamburg bestärkten damals meine Befürchtung, dass ich mit dem ewigen, grauen und trüben Hamburger Winter sowieso so meine Schwierigkeiten hätte. Ja, das waren noch Probleme damals.

Wie gesagt mein Rückflug aus China führte mich also direkt nach Berlin. Heike hat mich vom Flughafen abgeholt und sehr schnell habe ich gespürt, dass irgendetwas nicht stimmte. Es ist schwer seiner besten Freundin erzählen zu müssen, dass eine sehr wichtige Frau in deren Leben gerade eben gestorben ist. Birgit Windhüfel, meine Ausbilderin im Wendo, eine Frau die ich sehr geliebt habe. Mit der ich über Jahre durch so manche Höhen und Tiefen gegangen bin. Birgits und meine Wege trennten sich, als ich Anfang der 90 Jahre, Tübingen und damit meine ganzen politischen und eben auch die  Wendo-Zusammenhänge verlassen habe um auf die Ostalb zu gehen. Es war ein krasser Schnitt und ein krasser Schritt. Ich ging nämlich zu den sogenannten Schiran-Frauen um dort eine auf drei Jahre angelegte schamanische Ausbildung zu durchlaufen. Birgit fand das nicht gut. Sie wollte nicht, dass ich mit Wen-do aufhöre. Ich aber hatte das Gefühl, wenn ich nicht gehe sterbe ich. Ja. So dramatisch.

Die 80er Jahre hatten mich ausgebrannt. Die andauernden Kämpfe waren zermürbend. Die permanente Auseinandersetzung mit dem Thema Gewalt gegen Frauen und Mädchen innerhalb des Wendo gab mir dann den Rest. Meine Seele war wund. Ich musste etwas unternehmen. Das Schlimmste war damals für mich hilflos zuzuschauen, wie die Onkel und Väter, ihre kleinen Mädchen, von denen wir wußten, oder ahnten, dass sie Gewalt in der Familie erleben, wieder abgeholt haben nach unseren Kursen. Das und die zunehmende Aggression, die Wut auch gegen Frauen, die ich bei Birgit und mir feststellen musste. Ich dachte, wie kann das sein? Wir waren zunehmend sauer auf die Frauen, und dass sie diese Gewalt gegen sich selbst und andere Frauen zulassen. Ich konnte es nicht mehr ertragen. Ich hatte damals wirklich das Gefühlt das läuft in keine gute Richtung. Ich bin gegangen und das war auch gut so.

Die ersten zwei bis drei Jahre auf der Ostalb kamen mir vor wie eine Kur. Nur aufbauen, erholen, langsam ganz langsam wieder zu Kräften kommen, wieder gesunden. Wunderbar. Nach ein paar weiteren Jahren, also Ende der 90 Jahre kam dann der Wunsch noch tiefer ins Taijiquan einsteigen zu wollen. Dafür bin ich dann sehr viel gereist. Innerhalb Deutschlands und Europas und eben auch nach China. Alles nur um den besten Unterricht zu bekommen. 

Ein paar Monate bevor ich nach China geflogen bin habe ich Birgit angeschrieben weil ich erfahren hatte, dass sie Krebs hat. Wir hatten jahrelang nichts voneinander gehört. Ich war sehr froh und erleichtert, dass sie wohlwollend und einladend auf meinen Brief (so richtig auf Papier und mit der Post) reagiert hat. Wir haben dann durch einige Briefe und Telefongespräche unsere ganze Beziehung „aufgearbeitet“ und uns vollkommen ausgesöhnt. 

Dafür bin ich unendlich froh. 

Ich hatte sie damals auch eingeladen mit nach China zu kommen, weil ich wusste, dass sie sich für das Land und auch die Kampfkunst interessierte. Da wir einige tolle Reisen zusammen gemacht haben wußte ich das das schön werden würde. Das ging aber aufgrund ihrer Krebs Therapie nicht. Wir haben keinen Termin gefunden und haben so unser Wiedersehen auf sofort nach der China-Reise verschoben.

Tja. Das ist mir bis heute eine große Lehre.  

Trotz ihrer Erkrankung war damit nicht zu rechnen. Kurz bevor es ihr dann klar wurde, dass sie jetzt bald stirbt hat sie noch gesagt, dass ich ja wahrscheinlich noch in China bin und ev. nicht zur Beerdigung kommen kann. 

Ich kam aber einen Tag vor der Beerdigung in Berlin an, so dass ich am nächsten Morgen weiterfahren konnte zur Beerdigung nach NordRheinwestfalen.

Eine der schönsten Beerdigungen, die ich bis dahin erlebt habe. Schon auf dem Bahnsteig in Berlin habe ich Frauen getroffen, die auch auf dem Weg zu Birgits Beerdigung waren. Ich kann mich da zum Beispiel noch an Traude Bührmann erinnern. Unterwegs wurden es immer mehr. Es war wie ein Sternenlauf. Von überall kamen die Frauen angereist. Die Zeremonie war halb von der Familie und halb von der „Barke“ (ein alternatives, lesbischen Beerdigungsinstitut, welches aus einer dieser schamanischen Ausbildungsgruppen entstanden ist – fun fact könnte eine sagen) organisiert. 

Ich war sehr froh, dass ich wenigstens dafür noch gerade rechtzeitig aus Asien zurückkam. 

Immer wieder denke ich daran, wenn ich Heute ein Treffen mit Freundinnen aufschieben möchte. Und mache es dann lieber nicht. Das aufschieben, meine ich.

Aber jetzt Corona. Grosser Mist! 

Ich hoffe wir können uns alle bald wiedersehen.

Fühlt euch umarmt.

Sasa

Das Buch passt auch zu dieser 80er Jahre Zeit. Sehr interessant

Rückkehr nach Erbstetten

Mitte der 80er Jahre, ich war vielleicht 21 Jahre alt, fragte mich meine Mutter, ob ich wohl mit Frauen zusammen wäre. Ich musste also für mein Coming-out nur noch ja sagen, allerdings war dieses Ja der Beginn eines großen und lange anhaltenden Streits zwischen meinen Eltern und mir. Viel mehr zwischen meiner Mutter und mir, mein Vater hat sich nämlich eher rausgehaltenen aus dieser Auseinandersetzung. Das hört eine ja oft bei solchen Coming-Out-Geschichten. Dass die Väter sich vielleicht nicht so bedroht fühlen von dem Lesbisch-Sein der Tochter ist eine Vermutung. Wie auch immer. Es waren sehr verletzende Streits. Ich habe mich auf jeden Fall ungeliebt und komplett abgelehnt gefühlt. Wir hatten darauf hin auch länger gar keinen Kontakt. Und ich habe seit dem auch nie wieder Freund:innen mit gebracht.
Und dann kam Ruth. Ruth wollte sehr gerne meine Eltern kennenlernen und hat auch nicht locker gelassen. Heute bin ich sehr froh darüber, dass sich meine Eltern und Ruth so gut verstehen. Es war jedoch ein langer Weg bis dahin.


In vielem habe ich mich bei Didier Eribons „Rückkehr nach Reims“ wiedergefunden. Ich kenne die Scham über die Herkunft. Ich kenne auch die Scham über die eigene Sexualität. Eribons autobiographische Analyse hat mich, wie viele andere, wirklich sehr berührt. Wer es lesen möchte: https://www.suhrkamp.de/buecher/rueckkehr_nach_reims-didier_eribon_7252.html Auch ich wollte weg und wollte anders sein. Weg von der dörflichen Enge. Weg von meiner Herkunftsfamilie. Ich war anders als alle anderen. Ich passte sowieso nicht rein. Ich gehörte nicht dazu. Ich war lesbisch. Auch wenn ich es damals noch nicht so genannt habe.
Literatur und Sport waren für mich der Ausweg. In Büchern und in der Bewegung war alles gut. Bildung war der Ausweg. Studium war der Ausweg. Bloß nicht so viel schuften wie meine Eltern. Also war ich die erste in der Familie, die studiert hat.
Für mich war es die Rettung: Frauenbewegung. Bildung. Andere Lesben. Weite. Kunst und Kultur.
Auch, wenn ich dafür nun plötzlich meine Herkunft geleugnet habe, habe ich es als unglaublich befreiend empfunden. Wie bei Eribon habe ich für dieses Leugnen die sexuelle Freiheit, die sexuelle Scham ablegen können. Jedoch holt auch mich die Vergangenheit immer wieder ein. So kämpfe ich während ich schreibe immer wieder gegen ein gewisses Gefühl von: „eigentlich kannst du dich doch gar nicht gut genug ausdrücken“ an. „Irgendwann kommt es raus, dass du eine Art Hochstaplerin bist. Dumm und ungebildet.“ Zumindest ist die soziale Scham mir heute sehr bewußt und darum ist es leichter mit ihr geworden. Die soziale Scham ist zwar immer noch da, aber jedesmal wenn ich sie benenne ist es wie ein kleiner Sieg. Eine Sache ist zum Glück ganz anders als bei „Rückkehr nach Reims“: Meine Eltern würden niemals AfD wählen. Also dieses Thema bleibt mir erspart.


Aber nun fragte mich Ruth: „ Was würden wohl die Freunde, die Familie und die Bekannten in Erbstetten sagen, wenn sie wüßten, dass wir lesbisch sind“? Tja. Ich weiß es nicht. Sollen wir sie mal fragen? Und da ist sie doch wieder. Die Scham. Die Angst. Sind sie dann nicht mehr so nett? Lehnen sie uns ab? Ich kann es nicht einschätzen. Aber vielleicht nicht. Eher nicht? Manche nicht? Manche doch. Wie immer…
Es ist gut, darüber zu schreiben. Jedesmal ein kleiner Sieg. Wir könnten ein großes Hochzeitsfest im Stern feiern? Ruth?

Mein Vater

Mein Vater war immer schon ein ruhiger Mann. Jetzt spricht er so gut wie gar nichts mehr.Er hat seit einigen Jahren eine parkinsonähnliche Erkrankung, und das ist wahrscheinlich schlechter als Parkinson, weil diese Krankheit so gut wie gar nicht erforscht ist. Die meiste Zeit sitzt er im Rollstuhl. Er kann sich weder alleine waschen, noch Zähne putzen, noch anziehen. Eigentlich braucht er bei allem Hilfe. Auch das Nicht-Sprechen hat damit zu tun. Irgendwann wird sogar das Schlucken immer schlechter.
Seine Geschichte hängt sehr stark mit dem Nationalsozialismus in Deutschland zusammen: Mein Vater wurde 1936 in der Nähe von Nürnberg geboren und dann von seiner Tante und seinem Onkel im Schwäbischen Erbstetten adoptiert. Dass er adoptiert wurde hat er als Jugendlicher zufällig auf der Straße erfahren.
Sein Adoptivvater, also mein „Grossvater“, war kein wirklich netter oder guter Mensch. Im Gegenteil. Er wollte einen Arbeiter für seinen Betrieb, den Stern. Mein Vater war für ihn mehr ein Gehilfe, nicht ein lang ersehnter Sohn. Ausserdem war er Nazi. Und mein Vater war, so vermutete sicherlich auch mein „Grossvater“, der Nachkomme eines jüdischen Mannes. Ich habe mit diesem „Grossvater“ 15 Jahre zusammengelebt. Für ihn war ich der „Bastard des Bastards“. Bei mir ist bis heute ein diffuses, aber grundsätzliches Gefühl von „nicht-richtig-sein“ geblieben. Ein Gefühl, von Anfang an gar keine Chance zu haben. Ablehnung qua Herkunft. Manchmal denke ich dieses Gefühl verbindet meinen Vater und mich sehr. Auf jeden Fall verbindet uns das Gefühl nicht zu wissen, woher wir eigentlich kommen.
Als mein Vater damals erfuhr, dass er adoptiert wurde, ist er nach Stuttgart gegangen, da war er noch nicht volljährig. Er hat dort ein paar Jahre auch als Bäcker gearbeitet. Später ist er in den Stern zurückgekommen und hat dann doch den Betrieb übernommen. Allerdings unter zähen Kämpfen mit den Adoptiveltern, die ihm und meiner Mutter allerlei Hinternisse in den Weg gelegt haben.

Als Kind war ich ein paar Mal in Nürnberg und habe die leibliche Mutter meines Vaters und seine Halbgeschwister kennengelernt. Eine humorvolle und lebenslustige Familie. Ich war gerne dort. Kurz vor ihrem Tod hat ihn seine Mutter um Verzeihung gebeten. Ich war damals im Krankenhaus dabei, als sie im Sterben lag. Damals hat sie alle gebeten das Zimmer zu verlassen, ausser meinen Vater, der sollte bleiben. Es muss eine unglaublich Last für sie gewesen sein, ihr Kind zur Adoption zu geben, das konnte ich damals gut spüren.
Mein Vater ist ein sehr netter und hilfsbereiter Mensch, ein klein wenig misstrauisch vielleicht, wer möchte es ihm verdenken. Meine Mutter wuchs in unmittelbarer Nachbarschaft von meinem Vater hier im Dorf auf. Sie sind seit 56 Jahren glücklich verheiratet. Bewundernswert ist ihr respektvoller Umgang miteinander, die Zuneigung für einander ist wirklich zu spüren. Das ist sehr schön zu erleben. Ich freue mich, dass meine Eltern fremden Menschen sehr frei von Vorurteilen begegnen. Sie sind grundsätzlich offen und neugierig. Sie sind grosszügig. Sie mögen die Menschen, obwohl sie beide nicht immer gute Erfahrungen mit ihnen gemacht haben. Bewundernswert.

Angelika Förster

Ihr Lieben,

Angelika war eine ganz besondere Frau. Ich hatte auch in den letzten 4 Jahren während ihrer Krebserkrankung regelmäßig und häufig Kontakt zu ihr, und es war immer ein Vergnügen und eine riesige Inspiration sie zu treffen. Auch in dieser Zeit. Trotz ihrer Schmerzen haben wir oft gelacht, aber auch sehr ernsthafte und schöne Gespräche zum Beispiel über das Sterben geführt. Uns hat die Liebe zur asiatischen Kampfkunst verbunden und auch ein ähnlicher Humor. Eine Leichtigkeit gemischt mit einer Ernsthaftigkeit, die ich sehr geschätzt habe. Die mir sehr vertraut war. Vielleicht hat uns auch die grundsätzliche Zuneigung zu den Menschen verbunden, nicht dass wir uns nicht auch manchmal über sie geärgert hätten. Auch manchmal über uns selbst. Klar.

Leider konnte ich nicht auf ihre Beerdigung gehen, es dürfen ja nur 10 Menschen im Moment auf Beerdigungen. Das fand ich sehr traurig, weil ich ein solches Ritual des Abschieds sehr schätze.

Angelika hat mich während ihrer Erkrankung sehr tief beeindruckt. Ich bin froh um unsere gemeinsame Geschichte aber ich vermisse sie auch sehr. Eine großartige Frau. Unvergessen.

http://www.karate-kvbw.de/index.php/news/titelthemen-news-category-style2/item/82-nachruf-angelika-foerster/item/82-nachruf-angelika-foerster

Nebenbei arbeite ich auch in meinem alten Job

Ich bin wieder zurück und freue mich auf ein freies Wochenende. Ich habe mir fest vorgenommen, ein richtig normales und ganz arbeitsfreies Wochenende zu genießen. So wie früher, vor Corona.

Heute möchte ich euch mal zeigen was ich sonst noch so gearbeitet habe. Im Zweitberuf:

Schaut doch mal rein. Ich finde mein „Arbeitsblog“ ist richtig toll geworden. Da findet ihr allerhand Texte und Trainingshilfen. Open source! Bzw. Open Access. Leitet es gerne weiter.

https://www.sasakrauter.de/blog/

Über Feedback freue ich mich.

Happy Weekend!

Schön, dass es euch gibt!

Heute machen wir uns einen schönen Tag

Tagesablauf im Pflegeheim Stern

7 Uhr: Mein Wecker klingelt. Frühstück machen.

7.20 Uhr: Die Frau von der Diakonie ruft an um zu sagen, dass sie in 5-10 Minuten kommt, um meinen Vater zu waschen. Seit dem vorletzten Krankenhaus-Aufenthalt meiner Mutter kommen sie jeden Tag. Immer noch. Gott sei Dank. Das ist die Zeit in der ich auch schnell duschen kann. Oder mal einen Kaffee alleine in Ruhe trinken kann. Heute wähle ich die Dusche. Herrlich.

Dann fährt zuerst meine Mutter mit dem Treppen-Lift runter und ich hole den Lift mit der Fernbedienung wieder hoch und bringe meinen Vater zum Frühstück. Meine Eltern wohnen im 3 Stock. Frühstück gibt es aber in der alten Kneipe, im 1.Stock. Nicht sehr praktisch. Ich weiß.

Heute meinte meine Mutter: wir könnten uns doch einfach mal einen schönen Tag machen.

Ja, sehr gerne, denke ich sofort. Ich frage was sie denn dann machen wollen. Erstmal stellen wir fest, dass wir heute weder zum Arzt noch zum Einkaufen müssen. Auch nicht putzen. In den Fremdenzimmer habe ich ja gestern die Betten frisch bezogen und die Zimmer sind geputzt.

9 Uhr: Kommt nochmal die Diakonie, diesmal zum Stützstrümpfe anziehen. Das müssen ausgebildete Krankenschwestern machen.

9.30 Uhr: Ich muss doch noch mal zur Apotheke fahren. Gestern waren wir erneut beim Hausarzt und haben andere Schmerztabletten für meine Mutter verschrieben bekommen. Stärkere. Heute geht es ihr ein wenig besser. Vorher nochmal mit meinem Vater auf die Toilette. Das dauert.

10 Uhr: Nun nehme ich die B Klasse meiner Eltern und fahre nach Kirchberg in die Apotheke. Kirchberg ist zwei Ortschaften entfernt. Auf dieser Strecke kenne ich jede Kurve und ich weiß auch nicht warum man auf bekannten, kleinen, kurvigen Landstrassen immer so schnell fahren möchte. Liegt es daran, dass ich früher mit meinen, immer etwas älteren, Freunden auf deren Motorrädern durch die Gegend geheizt bin? Heute nun also mit der B Klasse. Nachdenklich.

11 Uhr: Ich schreibe in der Kneipe etwas an diesem Beitrag da kommt Francesco, einer der Gäste, die hier in der Pension meiner Eltern übernachten. Er arbeitet in dem italienischen Restaurant im Ort hier und wohnt seit Monaten bei meinen Eltern. Ein sehr netter und hilfsbereiter Mensch. Das Lokal, in dem er arbeitet, bietet nun auch nur noch Essen zum abholen an.

Was er aus Italien erzählt treibt mir die Tränen in die Augen. Das ist wirklich eine Tragödie. Schrecklich.

Wir bestellen über ihn unser Mittagessen, eben bei diesem Restaurant. Meine Eltern wollen das Lokal auch unterstützen und außerdem: Wir machen uns ja einen schönen Tag. Das Kochen fällt zur Feier des Tages aus.

11. 30 Uhr: Was sich meine Eltern wünschen ist, dass sie mal wieder auf den Friedhof gehen. Der Bruder meiner Mutter, also mein Onkel, ist vor 3 Jahren gestorben und hat jetzt seinen Grabstein bekommen. Mein Vater will auch mal wieder mit. Das dauert natürlich alles . Erstmal wieder beide mit Lift runter fahren. Ins Auto. 2 Minuten dauert die Autofahrt. Aus dem Auto in den Rollstuhl. Dann mit dem Rollstuhl über den Friedhof. Meine Mutter humpelt neben uns her.

Danach fahren wir noch kurz zu meiner Tante, die auf einem Aussiedlerhof lebt ( 4 Minuten Fahrt) Meine Tante ist auch sehr gebrechlich. Wir unterhalten uns wieder aus der Ferne. Schön war es. Sie haben sich auch schon alle eine Weile nicht mehr gesehen.

Dann alles wieder rückwärts. Mama und Papa aus dem Auto. Zweimal Lift fahren. Das dauert.

Jetzt ist es 12.30 Uhr. Zeit um das bestellte Essen bei Toni zu holen. Die Frau von Toni ist schwanger, in 3-4 Monaten kommt das Kind. Er macht sich Sorgen um seine Frau und um sein ungeborenes Kind. Wegen Corona. Er erklärt mir, dass er es sich nicht mehr leisten kann das Essen zu Mittagstisch-Preisen rauszugeben. Es rechnet sich halt nicht, wenn so wenige kommen. Klar. Denke ich. Kein Problem. Da sagt er jedoch: „natürlich gilt das nicht für euch. Ihr seid ja wie Familie.“

Ich bin gerührt und gebe ein sehr großzügiges Trinkgeld.

Wir sind gegen 13.15 Uhr fast fertig mit Essen da ruft Francesco an und sagt: „ komm schnell nochmal runter zu uns, Toni hat vergessen das Pizzabrot einzupacken.“

Also, fahr ich schnell runter und jetzt: Mein Highlight!

Ich nutze die Gelegenheit und trinke einen wahnsinnigen leckeren Espresso mit meiner neuen italienischen Familia;-) Göttlich!

Wir halten Abstand und geniessen den Espresso. Wir sind zu dritt.

Wir unterhalten uns und sind uns einig, dass es schön ist etwas Kontakt zu haben. Wir sind uns auch einig, dass es Deutschland bisher vergleichsweise gut hinbekommt mit der Pandemie, weil wir von Italien lernen konnten. Aus den Fehlern in dem Fall. Weil wir es dort beobachten konnten.

13.45 Uhr: Wieder zurück im Stern. In der Zeitung wird vom ersten Corona-Fall im Ort berichtet. Corona ist angekommen in Erbstetten. Gestern Abend hat noch die Fusspflegerin abgesagt weil sie in Quarantäne ist . Auch ein Freund meiner Eltern hat angerufen um zu sagen, dass er in Quarantäne ist, weil er eben bei dieser Fußpflegerin war.

Jetzt rückt es auch hier näher und irgendwie gleich viel näher, weil alle sich kennen und oder Kontakte sich häufig überschneiden.

Noch etwas aufräumen, spülen, „gschwind“ rüber auf die Volksbank, da es etwas zu klären gibt auf dem Konto meines Vaters. Ach ja und 3 Fremdenzimmer schnell machen. Gebügelt hatte meine Mutter natürlich auch schon. Vater hoch, aufs Klo, ins Bett. Lift runter für Mutter. Mutter hoch, ins Bett und ihre Umschläge für sie machen. Ganz ohne „schaffa“ gehts halt nicht.

Mittagspause. Blog schreiben oder kurzer Spaziergang? 15 Uhr ist es inzwischen.

Jetzt bring ich doch noch kurz den Teller von Anneliese zurück. Sie ist die beste Freundin meiner Mutter. Ich kenne sie schon mein ganzes Leben. Ihr Sohn ist 8 Tage jünger als ich.

Wir unterhalten uns wieder aus 2 Metern Entfernung. Sie steht in der Eingangstür. Da überrascht sie mich plötzlich mit einer Glasschale, die sie vor 40 Jahren aus dem Stern von meiner Mutter bekommen hat. Und 40 Jahre in Ehren gehalten hat. Jetzt könne doch ich diese Schale weiter in Ehren halten. Vielleicht auch 40 Jahre lang. Dann bin ich 95, sage ich. Na und, sagt sie. Wir haben sehr gelacht. Ich gehe noch kurz spazieren.

16 Uhr: Zurück im Stern.

Patienten werden geweckt und aus dem Bett geholt. Zum Glück gibt es seit einigen Wochen ein Pflegebett für meinen Vater. Das hilft sehr.

Mein Vater möchte „Kaffee oder Tee„ schauen, da wird heute gekocht und Yoga gezeigt. Das bestärkt mich wieder in meinen Zweifeln, ob das Online-Unterrichten so richtig funktioniert. Also so nicht, wie ich es eben im Fernsehen sehen musste. Schrecklich.

17 Uhr: Zeit um am Blog zu schreiben.

18 Uhr: Mein Vater ruft mit dem Haustelefon an und meint: „Ich habe Hunger“.

Ich backe das Pizzabrot im Ofen auf. Sehr Lecker.

Inzwischen ist es 19 Uhr. Ich beantworte emails.

20 Uhr: Gemeinsames Nachrichten schauen.

Danach geh ich wieder an meinen Schreibtisch. Wir haben beschlossen, dass meine Mutter heute meinen Vater und sich selbst alleine ins Bett bringt. Als Test.

Vielleicht kann ich bald wieder ein paar Tage nach Karlsruhe. Das wäre schön. Es ist natürlich viel schöner bei der Liebsten und der Katze.

Aber hier gibt es auch viele schöne Momente und ich bin froh, dass ich die Zeit habe und hier sein kann. Ich hoffe so sehr, dass wir durch diese Krise kommen, ohne dass einer von ihnen ins Krankenhaus oder ins Pflegeheim kommt.

Ich habe gehört, wenn man das Vaterunser betet während des Händewaschens dann ist es lange genug. Also das Händewaschen natürlich. In diesem Sinne.

Schlaft gut.

Sasa

Besagte Schale
Es ist schon sehr idyllisch hier
Schwäbische Kirschblühte

Aus der Ferne unterrichten? I don‘t know.

Im Leben vor Corona bin ich Taiji-und YogaLehrerin. Ich schreibe absichtlich „bin ich“ um die Verwirrung auszudrücken. Was bin ich gewesen? Was werde ich sein? Im Moment bin ich vor allem Pflegerin, und Pflegeleitung in Personalunion eines sehr kleinen Pflegeheimes.

Ich war sehr sehr glücklich mit meinem alten Leben. Ich liebte mein Leben, meine Arbeit, mein ganzes Leben eben. Jetzt bin ich auch nicht unglücklich. Es entstehen sehr schöne Momente mit meinen Eltern. Die Sorge um meine Eltern ist das Schlimmste. Aber es werden auch Geschichten erzählt, die ich noch nicht kannte. Frühstücksthema heute: Die Maul- und Klauenseuche, während der meine Mutter als Kind mit ihren Eltern sowie den ganzen Nutztieren schon einmal isoliert war. Mit Absperrung rund um das Grundstück und Polizeikontrolle. Wusste ich gar nicht. Sehr interessant.

Es ist definitiv nicht die erste schwere Krise, die diese Generation erlebt. (Die Kriegsgeschichten haben sie gestern erzählt.) Und das merkt man auch. Sie haben Erfahrung mit schweren Krisen. Sehr im Gegensatz zu mir und meiner Generation. Für uns ist es die erste Krise. Und das merkt man auch.

Gut. Jetzt soll also das Unterrichten digital und aus der Ferne geschehen. Alle möglichen Versuche werden gestartet. Zoom-Meetings, Skype. Livestreams. Alle bleiben zuhause und treffen sich doch. Irgendwie.

Also versuche ich auch mal, mich aufzunehmen mit meinem Smartphone und mit Hilfe eines kleinen Gorilla-Stativs.

Test, Test, Test…